Letzte Woche habe ich geschrien. Das ist nichts Besonderes. Passiert, wenn man (a) Kinder hat und mal im Affekt zurück schreit/dazwischen schreit und (b) dem Großstadtverkehr ausgesetzt ist und tagtäglich mit Fahrrädern, XXL-Lastenrädern, E-Rollern & Co um den Bürgersteig konkurriert. Die Evolution hat sich was Geiles ausgedacht: Es nennt sich Gehen. Den kursiv gedruckten Text kann ich schreien. Die Menschen in meinem Stadtteil können es bestätigen. Nun, was war letzte Woche? Ich habe ein auseinandergefallenes Käsesandwich auf dem Küchenboden angeschrien. Dieses verf☆ckte Drecksteil, dessen Bestimmung es war mein Frühstück um 14 Uhr zu werden, war im Sandwich-Maker hängengeblieben und hatte sich danach im Flug elegant aufgeklappt und den Boden verschandelt. Schreien; wischen; den armen Kindern erklären, warum ich ausgetickt bin; die von den Nachbarn alarmierte Polizei an der Tür abwimmeln (Spaß). Passiert. Immer mal wieder. Aber warum? Bessere Frage: Warum nicht?
Irgendein Ventil braucht der Mensch. Und Sport ist echt nicht meine Passion. Im Ernst: Wer in dieser Welt nicht schreit oder nicht zumindest das Bedürfnis dazu verspürt gehört heiliggesprochen. Oder in Therapie. Das Unterdrücken von Wut kann nicht gesund sein. Meine oberflächliche Google-Recherche hat ergeben, dass es sogar Schreitherapien gibt. Ich könnte künftig unter therapeutischer Anleitung meine verunglückten Sandwichecken oder uneinsichtige Verkehrsteilnehmer anschreien. Gefällt mir. Und derzeit kann ich an einer Hand abzählen, was mir gefällt.
Das Leben ist kompliziert geworden. Eltern-Whatsappgruppen, Konsumschlachten, Onlineanmeldungen für jeden Pups zwecks „Vereinfachung“. Ich hör besser auf, da Fass ohne Boden. Im Ernst: Mir reicht´s. Und jetzt noch – alle Jahre wieder - Weihnachten. Bevor ich die verhedderte Lichterkette niederbrülle, hier ein Gegenvorschlag: Wir kreieren eine Alternative für das gängige Weihnachtsfest vor dem so mancher armen Seele (Hier, ich!) graut. Der Ablauf wäre wie folgt: Wir treffen uns an Heiligabend im Wald und schreien alles raus, was raus muss. Die Vorfreude darauf wird dazu führen, dass wir in den Wochen davor, auch bekannt als „besinnliche Vorweihnachtszeit für andere als mich“, das Schreien aufsparen und gesellschaftskonform mit einem seligen Lächeln auf den Lippen umherschreiten.
Zurück zum Heiligabend: Eine Gruppe Gleichgesinnter trifft sich in einem nahegelegenen Wald. Wenn das Wetter allzu ungemütlich ist, liebäugle ich mit dem Baum an der Straßenecke. Bin bekanntermaßen Minimalistin. Wald. Baum. Fantasie ist alles. Danach genießen wir heiser und unbeschwert einen heißen Salbei-Zimt-Tee mit Schuss. Ich bin sonst Team Kaffee, aber mir ist klar, was da alles rausgeschrien werden muss und meine Stimme ist aufgrund oben geschilderter Lebensumstände leicht lädiert. Also zu diesem hohen Feiertag eine Ausnahme. Her mit dem Tee! Danach gibt es lecker Essen oder auf was immer derjenige, der sich freigeschrien hat, Lust hat. Alles kann, nichts muss. Von Geschenkegedöns - und allem was sonst an das klassische Weihnachtsfest erinnert - bitte ich abzusehen. Bisschen Abgrenzung muss sein. Genießen wir das Fest, welches ich „Schreinachten“ taufe, solange es unschuldig ist. In den kommenden Jahren wird es sich verselbstständigen. Zu Beginn Schrottwichteln beim Teetrinken, später ein Gänseessen auf dem Waldparkplatz. Irgendwann wird es ausufern mit Schreinachtskarten, Schreinachtsmärkten, Schreinachtsgottesdiensten, und, und, und.
Das klassische Weihnachtsfest wird langsam in Vergessenheit geraten. Und darauf habe ich nur gewartet, denn dann erwecke ich es wieder. Ein Charles Dickens würdiges Weihnachtsfest. Unschuldig und rein, wie wir es aus dem TV-Programm unserer Kindheit kennen. Ich werde Kaffee statt Tee trinken. Doch bis es so weit ist, bleibt mir nur zu schreien: Fröhliche Schreinachten!
Luci ist passionierte Kaffeetrinkerin, Reiki Meisterin und legt gerne Obst in Mandala Formen. Vor allem überzeugt sie regelmäßig ihre Instagram Follower mit humorvoll-tiefgründigen Texten über die Lästigkeiten die das Leben so mit sich bringt. Mehr auf ihrem Account @leftover_rainbow
Super Idee! Wir treffen uns dann im Wald ;-) Fröhliche Schreinachten liebe Lucy, ich habe mich sehr amüsiert, um nicht zu sagen laut gelacht! Liebe Grüße Ute🤣
Ich kanns wieder fühlen. Hatte sogar Knötchen auf den Stimmbändern.
Mega cool. Ein Kaffe tri ke ich auch. Super Lucy